Die geben nicht auf!


teilte uns eine Freundin aus Villingen mit. Die Fasnetsaison 2021 fand in Villingen virtuell statt. „Und was die da auf die Beine gestellt hatten, das müsst ihr euch anschauen. Da habt ihr dann auch mal was zum Lachen“.

Seit wir aus Villingen weggezogen waren, hatten wir Fasching oder Fasnet, wie es im Schwarzwald heißt, nie mehr so richtig auf dem Schirm gehabt. In Nürnberg wurde zwar auch Fasching gefeiert, aber das war mehr so ein Tourismusevent. So vermissten wir im Winter 2021 diese 5.te Jahreszeit gar nicht. Ein Freund lud zwar Ende Januar zu seinem virtuellem Geburtstag ein. Das war eine Telefonkonferenz mit Teilnehmern, die die Technik kaum kannten. Dank der Getränke lachten wir viel, aber es kamen keine Unterhaltungen zustande. Es redeten erst alle zusammen, dann aber auch immer nur ein Mitglied eines Paares zu einer Zeit. So richtig gesellig war das nicht. Von Fasnet fiel kein Wort. Ich war überrascht, wie sehr die Gesichter einiger Freunde gealtert waren. Dabei hatten wir uns vor sieben Monaten zuletzt gesehen.

Wenn man in ein anderes, unmaskiertes Gesicht sieht, ahmt man mehr oder weniger automatisch den erkannten Gesichtsausdruck nach. Bei kleinen Kindern ist das meistens ganz ausgeprägt. Lustig ist es bei Hundebesitzern, die den Ausdruck ihres Hundes nachmachen. Besonders Besitzer von Mopsen haben es mir da angetan. In jenem Winter aber sah man nicht viele unmaskierte Gesichter. So erklärte ich mir die wundersame Alterung mancher befreundeter Paare damit, dass diese sich wohl in einen Pessimismus hineingesteigert hatten. Es waren die Paare, die ganz vorsichtig waren und Kontakte mit anderen Haushalten möglichst vermieden. Ein Paar kaufte sogar nicht selbst ein. Das erledigte die Tochter oder auch die Nachbarin. Diese legten die vollen Taschen vor der Eingangstür ab, drückten die Klingel und verschwanden. Manchmal wartete sie auf der anderen Straßenseite und winkte grüßend.

Als ich von der virtuellen Fasnet hörte, war mein erster Kommentar „Dann sitzt jeder für sich im Häs vor dem Bildschirm und gibt sich die Kante?“. Zum Glück hatten wir den live Termin verpasst und sahen nur die Aufzeichnung. Unser Häs, die Zipfelmütze und das Treiberhemd, blieb im Schrank, aber Wein kam in das Glas. Auf dem Bildschirm grüßten uns zwei Moderatoren. Das wäre so mit dem Gesundheitsamt abgesprochen versicherten sie. In der Halle, sonst bei den Bällen immer gerammelt voll, war nur noch ein Kameramann und der wäre weit genug entfernt von ihnen. Aber nun solle die Stimmung herkommen. Es wechselte zu einem Zimmer, in dem eine Person im Häs etwas im lokalen Dialekt erzählte. Dann ging es wieder zurück in die Halle. Die Moderatoren lachten und unterhielten sich per Videokonferenz mit Leuten im Häs, in anderen Wohnzimmern. An dieser Stelle schwappte tatsächlich ein wenig Stimmung herüber. Wieder ging es zu einem kleinen Auftritt eines Grüppchen. Diesmal war es offensichtlich aufgezeichnet, weil es an der frischen Luft mit Sonne spielt. Das schwappte nicht viel Stimmung herüber. Als der Moderator uns bekannte Bänkelsänger ankündigte, die aber erst gegen Ende spielen würden, betätigten wir den Vorlauf, lauschten dem Stück ein wenig und das war dann die Fasnet für uns.

Für Villingen war es das Highlight im Winter 2021, wie ein weiteres Telefonat nach Aschermittwoch bestätigte. Diesmal sprachen wir mit einer Frau „unseren Standes“, wie ihr schon vor Jahren verstorbener Mann, der Stadtapotheker von Villingen, es ausgedrückt hatte. Er, als Doktor der Pharmazie und Chemie, sie, als Doktorin der Pharmazie, waren eigentlich zu gut für die Stadtapotheke in Villingen. Sie kannten die ganze Stadt und so wusste sie auch, was Villingen in der Fasnetsaison 2021 bewegte. Die historische Narrenzunft hatte lange diskutiert, was denn erlaubt wäre und was nicht. Die Traditionen sollten nicht so richtig unterbrochen werden. Der Narrobrunnen war an Heilige drei König zu schmücken, aber nur zu zwei Vertreter der Zunft waren anwesend und auf Abstand. Jeder brachte den Schnaps selber mit. Ein Schluck und ein Narri-Narro reichte. Danach ging es wieder zurück in die jeweilige Haushaltsgemeinschaft.

Die Mitglieder galt es von den Gassen fernzuhalten. Die Polizei wies darauf hin, dass man das Verkleiden nicht verbieten könne. Sie würden aber kontrollieren, ob unter den Holzmasken auch eine FFP2 Maske getragen wurde. Die Zunft gab den Butzeselgruppen den Butzeselkopf nicht heraus, so dass die Treiber keinen Butzesel zum Treiben hatten. Die Wuest bekamen kein Stroh um ihre Hosen auszustopfen und konnten dann auch keine Strohsträuße in die Hemden von Mädchen verteilen. Auch bekamen die Narros ihre weißen Halskrausen nicht gebügelt. Eine öffentliche Fasnet fand so gar nicht statt.

Aber mit der virtuellen Fasnet konnte auf Abstand in den Haushalten gemeinsam zusammen gefeiert werden. Es gab Eintrittskarten, die die Zünfte unterstützten, und Verpflegungspakete mit Bier, Wein, Kutteln, Nieren und Leber. So erzeugte man ein klein wenig Gruppenzusammenhalt in der Isolation. Dieser Zusammenhalt war die eigentliche Aufgabe der Fasnet im Schwarzwald. Durch die Zugehörigkeit zu einer Zunft war man im Städtchen dabei. Jede Zunft hatte ihre mehr oder weniger kostspielige Kleiderordnung, den Häs, den man zu tragen hatte. Wer als Neubürger hier mitmachte, konnte dabei sein. Die Kinder machten über die Schule sowieso bei einer Trommlerguppe mit und auch ich war für ein paar Jahre aktives Mitglied in einem Fanfarenzug. Zwar fremdelte die Schwarzwälder zunächst ein wenig, aber nach ein paar Monaten gab sich das. Einmal machte ich das volle Programm vom Einzug in die Stadt am Sonntag Abend bis zum großen Umzug am Dienstag mit und war ab da voll aufgenommenes Mitglied des Zugs.

„Das war eine geniale Idee, die wenigstens ein wenig Fasnet in die Stuben brachte.“, wie die ehemalige Stadtapothekerin kommentierte.

„Aber bald ist das Ganze ja vorbei, wenn erstmal die Impfung für alle da ist.“, fügte sie an. „Das fängt schon an. Ich versteh‘ ja nicht, was das soll die Leute in den Palliativstationen impfen. Da ist es doch egal, ob die an Corona sterben oder nicht. Aber so haben die den Plan gemacht. Nun sind erst die Pflegeheime an und dann dem Alter nach immer jünger.“

„Warum überhaupt Impfung. Für die Risikokranken gibt es doch Medikamente, so wie beim Trump. Das hat doch wunderbar geklappt.“, wandte ich, froh mit jemandem vom Fach zu sprechen, ein.

Sie wollte da gar nichts so richtig von hören: „Alle Welt will die Impfung. Geht doch jetzt ganz modern mit der mRNA. Das ist das Medikament der Zukunft. Nicht nur für Infektionen, wenn der Körper Probleme macht, bekommt er mRNA und stellt sich die Medikamente selber her. Solltest mal lesen, wie da in den Apothekerzeitungen von geschwärmt wird.“


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