„Nach dem Tod kommt man wohin?“, fragte der junge Franziskanermönch in die Gruppe.
Verblüfft schauten die Besucher des Museums der Barfüßigen in Lima zurück.
„Die meisten von Euch kommen hoffentlich in den Himmel und nur ein paar in die Hölle. Aber vorher geht es in das Fegefeuer. Hier“, damit deutete er auf die gegenüberliegende Wand. „seht ihr das dargestellt. Wir alle sind als Menschen Sünder. Alle sündigen wir und das muss im Fegefeuer gereinigt werden. Deswegen beten dort auch ein König und der Priester den Rosenkranz, während sie gepeinigt werden. Aber das dauert nur solange, bis alles gereinigt und dann geht es in den Himmel. Oder in die Hölle, wenn eine Reinigung ausgeschlossen ist. Hoffentlich kommt ihr nicht dahin.“
Der Großteil der peruanischen Besucher stimmten kopfnickend dem Gehörten zu. Meine Gruppe kommentierte es auf dem Weg zur nächsten Station eher belustigt. Ich wunderte mich über die Macht der Ängste, die durch geeignete Erzählungen geschürt wurden. Sobald die Menschen Angst hatten, glaubten sie alles und akzeptierten offensichtliche Widersprüche.
Bevor wir die Gemälde in diesem Raum bewunderten, präsentierte unser Führer die ärmlichen Wohnverhältnisse der Mönche. Jeder hatte ein zwei Zimmerapartment mit Empfangsraum und Wohnraum. Sanitäre Einrichtung und die Kantine waren gemeinschaftlich. Für die damalige Zeit waren die 40 Quadratmeter ziemlich stattlich, zumal die Konstruktion auch auf Belüftung und Sonnenlichtzufuhr geachtet hatte.
Auch die Situation in der Krankenstation war alles andere als ärmlich. Hier lag der Kranke in seinem Einzelzimmer und im Nachbarzimmer wohnte die Krankenschwester. Der Führer war bezüglich des Geschlechts eher zweideutig. Er sprach zunächst von „Enfermera“, was eine Frau andeutete, danach aber von „Enfermero“, was einen Bruder andeutete, der die Pflege übernahm. In jedem Fall befand sich im Zimmer der pflegenden Person eine Sitzbadewanne, mit der der Unterleib des Kranken gewaschen werden konnte.
Nicht einer in der gesamten Gruppe schien sich über Begriff der „Austeridad“, den er beim Beschreiben dieser Verhältnisse verwendete zu wundern. Auch ich akzeptierte das einfach so.
Bei dem Fegefeuer fiel mir die Führung der Altstadtfreunde zum Thema Reichskleinodien ein. Damals war ich der Führer und bei der Vorbereitung las ich einiges über den Ablass. Ein Ablass verkürzte die Zeit im Fegefeuer und konnte durch gute Taten, Wallfahrten oder per gekauften Ablassbrief erlangt werden. Wer bei der Sichtung der Reichskleinodien dabei war, bekam ein paar Tage Fegefeuer erlassen. Einen vollständigen Ablass und damit den sofortigen Einzug ins Paradies bekamen Heilige und im Krieg gefallene Kreuzritter.
Das Leben in dieser katholischen Christenheit bestand aus Angst vor einer langen Zeit im Fegefeuer. Durch die wöchentliche Beichte betrachtete jeder die möglichen Sünden und verstärkte die Furcht, da man ja die wirklich schlimmen Dinge nie so schlimm schildert, wie es sich gehörte. Deswegen ordneten sich die Menschen den Priestern unter und diese erlangten eben solche prachtvollen Anlagen, wie das besuchte Kloster. Sie waren wichtige Teile der Gesellschaft, ganz ohne eigentliche militärische Macht.
Vielleicht kam ich auf diese Gedanken, weil der Mönch den Gesang von Franziskus an die Sonne von Franziskus erklärt hatte. In diesem betont er, dass jeder stirbt, egal ob arm oder reich. Ich fand diesen Gedanken immer recht befreiend. Wenn man an den Tod denken kann, ist man noch nicht tot und das ist immer gut. Chinesisch gleichmütig könnte man damit leben, ganz im Gegensatz zur Vorstellung eines Fegefeuers, das auf einen warten würde.