Bei der Achse der Guten vom Broder las ich etwas über Curtis Yarvin, der in Art von Antimarxismus behauptete, der gesellschaftliche Überbau bestimmte die Lebensrealität der Massen. Marxisten, als Anhänger des historischen Marxismus, sehen die übergeordnete Kultur als Ergebnis der Besitzverhältnisse an. Aber an diesen hat sich in den letzten vierzig Jahren wenig geändert und trotzdem ändert sich die Kultur ständig. Warum ändern sich dann die Vorschriften, nach denen jemand zu leben hat?
Laut dem Herrn Yarvin sind es elitäre Zirkel aus den Medien und den Universitäten, die die Kultur und die Regeln bestimmen. In diesen Zirkeln werden Glaubenssätze formuliert, die nicht in der Realität geprüft werden. Es wird geglaubt, was zu dem vorher geglaubten passt. Durch gewagte Thesen kann man aufsteigen und insgesamt wird das geglaubte immer abstruser. Wer den Glauben infrage stellt, wird bekämpft und ausgeschlossen. Herr Yarvin nennt dieses System eine Kathedrale.
In Deutschland gibt es die Begriffe Dünkel oder auch Platzhirsch. Neulich erlebte ich eine Diskussion über eine These in meinem Geschichtsverein. Normalerweise werden die Thesen vorgetragen und nicht diskutiert. So wird hier die These vertreten, im Mittelalter hätten die Menschen an eine flache Erde geglaubt. Zwar stellen das einige Mitglieder manchmal infrage, aber es gibt nie eine wirkliche Diskussion über das Thema, da die Geschichtslehrer sich einig sind.
Diesmal waren wir in einer Kapelle mit einem Werk des Bildhauers Adam Krafft. Der Vorsitzende äußerte die These, dass es sich um ein Jugendwerk handeln würde. Sein Gegenspieler war der Vorsitzende des anderen Vereins, der die Kapelle betreute. Dieser hörte sich die Argumente an, dachte sichtbar nach, holte Luft und wies auf das andere Jugendwerk hin, das uns allen bekannt sein dürfte. Es war eine Diskussion zwischen Gleichgestellten. Wir lauschten dem Wortwechsel, in dem beide Seiten betonten, wie belesen sie waren. „Wie xx schreibt, meine ich …“ benutzte jeder zur Bekräftigung.
Was hier noch im kleinen ganz putzig aussieht, kann so groß werden, dass eine Rückkopplung mit der Wirklichkeit gar nicht mehr gegeben ist. Die Idee von der Abschaffung von Kohle, Gas und Atomkraft hin zu erneuerbaren Energie konnte sich so entwickeln und wurde nicht wieder eingefangen. Die Agora Energiewende versuchte es 2015, aber die Mitglieder der Kathedrale verstanden den Rückruf nicht. Warum dann nicht laufen lassen und davon wenigstens profitieren? Der Wirtschaftsminister sah sich zwar umzingelt von Realität, aber es gilt der Wahlspruch: vorwärts immer, rückwärts nimmer!
Was tun?
Ein Widerstand scheint aussichtslos, aber Auswandern ist auch keine Lösung. Immerhin hat die Schweiz das net zero Ziel per Volksabstimmung beschlossen. Und auch in Ländern wie Thailand und Peru wird kräftig das Klima gerettet.
Das Hier und Jetzt genießen, bis zum letzten Atemzug!
Klingt nach Osho, nicht wahr?
Vielleicht funktioniert es so, dass wer glücklich ist, Leute anzieht. Und da die Krisen zum großen Teil Gedankengebäude sind, könnte die Geschichte von der Gans in der Flasche die Lösung sein.