Zukunftsschock?


Es geht eine Angst um in meiner Blase, meiner Twitter- oder auch X-Timeline. Dieses Jahr soll der Zukunftsschock kommen. Die angekündigten Veränderungen im technischen, wirtschaftlichen und sozialem Umfeld können vom Einzelnen nicht mehr einsortiert werden, sodass er traumatisiert wird und sich freiwillig in die Sklaverei begibt. Das machen zwar nur 70 Prozent der Mitmenschen, aber dagegen kommen die Widerständler nicht an. Jeder sollte sehen, wie er diese Zeit aushält.

Kann ich mir eine Zukunft als Softwerker vorstellen? Zwar wird da noch etwas kommen, aber so richtig traumatisiert hat mich meine Erfahrung mit der KI nicht. Ich staunte als Grok ein ganzes Javascript für ein Projekt in wenigen Minuten erzeugte. Es lief nicht direkt, er baute immer mehr Ausgaben und Fehlerprüfungen ein, die ich auch eingebaut hätte. Dann gab er auf, meinte, mit einem anderen Framework könnte er es noch einmal versuchen. Aber ich las das Manual, behob den Fehler und setzte danach den GitHub Copiloten ein. Dieser nahm mir jede Menge Arbeit ab, an einem Tag war das geschafft, womit ich mich eine Woche beschäftigt hätte. Ich war verblüfft, vermisste die Erfolgserlebnisse, die mir dank KI vorenthalten wurden, aber so richtig traumatisiert oder überflüssig kam ich mir vor.

Auch im näheren Umfeld traf ich auf keinen Traumatisierten. Zwar werden Gespräche mit den üblichen Katastropheninfos, zum Beispiel Putin, Klima, Teuerung und so weiter, eröffnet, aber sie wechseln schnell ins alltäglich Erfreuliche über. Den Kindern geht es gut, der Garten sollte gemacht werden und Ausflüge wollen geplant werden. Von Trauma spürte ich nichts.

Überhaupt erinnert mich das von dem Unvermögen, Informationen einsortieren zu können, an das „Anhalten der Welt“, so wie ich es vor fünfzig Jahren bei Castaneda gelesen hatte. In Hippiezeiten waren seine Bücher über die Lehre des Don Juan aus Mexiko angesagt. Damals glaubte ich noch, es wäre eine Art Bericht von tatsächlichen Ereignissen. Mittlerweile weiß ich, dass es nur Fiktion ist. Trotzdem scheint das mit dem „Anhalten der Welt“, so wie ich es verstanden habe, bei mir eine Wirkung zu entfalten. Don Juan fordert seinen Schüler auf, die Schatten der Blätter eines Baumes zu fixieren. Das kann ein Gehirn nicht und nach einer gewissen Zeit gibt es auf und es gibt Ruhe im Schädel. Dann hat der Schüler die Welt angehalten. Bei mir funktioniert das und bringt mich zur Ruhe. Da gibt es nichts von Trauma oder Verwirrung, sondern nur eine Art Bestaunen der Realität.

Vielleicht ist es ein Relikt aus der Urzeit, dass, wenn das Großhirn mit der grauen Denkmasse wirklich nichts Sinnvolles ausspucken kann, eben das Kleinhirn mit den Intuitionen übernimmt. Es gilt zu überleben, auch wenn man nicht weiß, warum. Wenn sich das so auch mit den verwirrenden Informationen über mögliche Zukunftsszenarien verhält, dann würden die Menschen nicht in großem Maße traumatisiert, sondern eher intuitiv jeder seinen eigenen Weg gehen. Das wäre das Gegenteil von der befürchteten Katastrophe.

Falls es wirklich eine Verschwörung gibt, die uns per Zukunftsschock versklaven will, hätte das etwas von der Kraft, die Böses will und Gutes schafft. Goethe hat etwas dazu geschrieben. Wäre ein Grund für die fuck-you-Goethe-Generation den Klassiker mal zu lesen.

Ich habe mich bisher ziemlich über jeden neuen Tag gefreut und werde das in Zukunft sicherlich auch tun!


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