An meine Oma kann ich mich kaum erinnern. Aber den Spruch „Kinder, die was Wollen, bekommen auf die Bollen“, den habe ich von ihr gehört und vermutlich auch gefühlt. Ich weiß nicht mehr was genau ich wollte, vermutlich sollte es Spiegelei mit Spinat und Kartoffeln geben und ich wollte etwas anderes oder es gab etwas anderes und wollte ebendies. Ich hörte dies und wurde bestraft, obwohl meine Mutter versicherte, dass ihre Mutter so etwas nie getan hätte.
Meine Oma war kriegsgeprägt und fand in den 60ern das Vorhandensein von irgendeinem Essen schon willenserfüllend genug. Von ihrer Position aus war Zustand und Wille im Einklang und nach Schopenhauer befand sie sich in einem Glückszustand. Ich hingegen wollte etwas anderes und protestierte vergebens gegen die Differenz von Zustand und Wille.
Diese Differenz zwischen Zustand und Wille verursacht einen Schmerz, der sich bei Kindern in Geschrei äußert. Aber sie können genauso verhandeln, schmeicheln und sich irgendwie dann doch die Süßigkeit oder das Spielzeug ergaunern, das das Ziel der Begierde ist.
Eine andere Anpassung den Differenzschmerz klein zu halten, ist die Auswahl möglicher Ziele einzuschränken. Wer das anstrebt, was Vergleichbare haben, kann erwarten, dass er das auch bekommt. Genauso gilt es Vorbildern nach zu eifern, die glücklich und zufrieden erscheinen. Nenas „Mach doch was ich will, ich mach das schließlich auch“ erscheint aus diesem Blickwinkel nicht so dominant. Es fordert den Zuhörer auf, risikolos Ziele zu setzen, die, anscheinend, glücklich machen.
Am Ende findet man sich als Mitglied einer Herde wieder. Der eigene Wille ist nicht mehr kreativ im Suchen und Formulieren von Zielen. Man läuft im wesentlichen hinterher und, ist man mal vorne, macht man ein paar Schritte, bis man nicht mehr weiter weiß und jemand anderes die Führung übernimmt. Chaotisch findet die Herde schon ihren Weg.
Wer es mit der persönlichen Freiheit ernst meint, keine Erbschaft hat und nicht Einsiedler sein will, muss sich in einer Form als Marke definieren, die der Gemeinschaft etwas besonderes gibt, sodass diese ihn versorgt. Wer nichts gibt, kann sich als Krimineller durchschlagen. So wie Sailor im Film „Wild at Heart“. Ich kann mich an die Schlangenlederjacke, das Symbol seiner Individualität, erinnern. Wenig später lief ich im Hoodie zu den Kunden, die den durchgeknallten Softwerker dann auch fürstlich bezahlten.
Auch das Äußere ist für die Präsentation des einzigartigen Angebots kreativ zu erzeugen. Einfaches Kopieren von anderen funktioniert in dieser Hinsicht nicht. So bemerkte eine Biographin von Jimi Hendrix, wie lange dieser für Hut und Kette gebraucht hatte. Als sie ihn zum ersten Mal darin sah, bemerkte sie wie zufrieden er damit war.
Aber egal wie man das lebt, man sollte das Leben das man lebt, genauso wollen, wie es ist. So hat Nietzsche es hundert Jahre vor Osho formuliert.